Mario Gmür

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Mario Gmür (* 7. Februar 1945 in Zürich) ist ein Schweizer Psychiater, Publizist und Schriftsteller. Er kritisierte scharf die Glücksspielpolitik und die «repressiv-totalitäre» Gerichtspsychiatrie.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mario Gmür wuchs als Sohn des Schweizer Politikers, Publizisten und Schriftstellers Harry Gmür (alias Stefan Miller, Gaston Renard) in Zürich auf. Nach dem Medizinstudium in Genf und Zürich bildete er sich aus zum Spezialarzt in Psychiatrie und Psychotherapie und absolvierte eine Lehranalyse Freudscher Richtung und eine psychotherapeutische Ausbildung bei Jacques Berna, Paul Parin, Berthold Rothschild, Fritz Meerwein. Seine Dissertation Die Raucherbehandlung des Handauflegers Hermano erschien 1976 im Verlag Rüegger, eine Zwölf-Jahres-Nachuntersuchung in einer internationalen Zeitschrift. Die Habilitationsschrift, eine Zwölf-Jahres-Katamnese von schizophrenen Patienten in sozialpsychiatrischer Behandlung in der Tradition von Eugen Bleuler und Luc Ciompi, erschien in einer zweibändigen Ausgabe 1985 und 1987 im Enke Verlag. Seit 1989 arbeitet Gmür in freier psychiatrischer und psychotherapeutischer Praxis. 2023 gründete er in Leukerbad das Museum gleichundanders. Der Vorlass von Mario Gmür liegt im Schweizerischen Sozialarchiv.

Psychiatrisches Engagement[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gmür leitete und konzeptualisierte als erster Psychiater in der Schweiz ein Methadonprogramm für Heroinabhängige, 1975 in Winterthur (Beratungsstelle für Jugendliche) und 1978 in Zürich (Sozialpsychiatrischer Dienst). Seine Antrittsrede als Privatdozent an der Universität Zürich hielt er über die damals in der Schweiz grassierende Glücksspielsucht. Er setzte sich erfolgreich für ein Verbot der «einarmigen Banditen» im Kanton Zürich ein (Volksabstimmungen 1991 und 1995), war aber erfolglos im Kampf gegen die Aufhebung des Spielbankenverbotes (eidgenössische Volksabstimmung 1993).[1][2]

Über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde er durch die Beschreibung des Medienopfer-Syndroms und seine zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen gegen die aggressive Publizistik der Boulevardmedien. Ausserdem setzte er sich als erfahrener psychiatrischer Gutachter in straf- oder zivilrechtlichen Fällen[3][4] in mehreren Publikationen dezidiert gegen die nach seiner Meinung repressive Entwicklung der Gerichtspsychiatrie ein, die seit den 1990er Jahren von Frank Urbaniok geprägt wurde. Dieser «Kulturrevolution» sei die Biografie der Patienten zum Opfer gefallen; die Psychiatrie habe sich von einer beschreibenden zu einer anthropometrischen Wissenschaft gewandelt, die behaupte, mit Methoden wie in einer Materialprüfungsanstalt die Rückfallwahrscheinlichkeit von Delinquenten präzis voraussagen zu können. Und die stationären Massnahmen in den Strafanstalten, ohne Rücksicht auf Befindlichkeit und Empfindlichkeit der Häftlinge, liefen Gefahr, «zu einer sadistischen Seelenmanipulation im Schraubstock des Strafvollzugs zu entarten».[5][6]

Herausgeberische Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gmür hat die Romane und Artikel seines 1979 verstorbenen Vaters Harry Gmür aus dessen Nachlass herausgegeben.[7]

Bücher (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Mario Gmür: Die Geldspielautomatensucht im Kanton Zürich. NZZ, 25. Mai 1991.
  2. Mario Gmür: Offener Brief von Mario Gmür an Bundesrat Stich betreffend Aufhebung des Spielbankenverbots. Das Magazin, 13. Februar 1993.
  3. René Staubli: Der Angeklagte bestimmte den Gutachter. Tages-Anzeiger, 13. Juli 2012.
  4. Walter Hauser: Psychiater Mario Gmür warnt vor Psycho-Wahn in der Justiz. Blick, 4. Juni 2014, abgerufen am 3. Mai 2024.
  5. Mario Gmür: Der Richter und sein (forensischer) Denker. NZZ, 24. November 2009.
  6. Sandro Brotz: Gutachter Gmür ist ein Kronzeuge. Der Sonntag, 25. September 2011.
  7. * Harry Gmür: Am Stammtisch der Rebellen, Europa Verlag Zürich, 2015, ISBN 978-3-906272-24-5
    • Harry Gmür: Liebe und Tod in Leipzig, Europa Verlag Zürich, 2016, ISBN 978-3-95890-058-5
    • Harry Gmür: Reportagen von links, vier Jahrzehnte Kampf gegen Faschismus und Kolonialismus, Europa Verlag 2020.