Großhirnrinde

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Die Großhirnrinde (lateinisch Cortex cerebri,[1] kurz: Cortex) ist die äußere, an Nervenzellen (Neuronen) reiche Schicht des Großhirns (Telencephalon).

Obwohl das lateinische Wort cortex übersetzt schlicht ‚Rinde‘ bedeutet und Cortex (oder Kortex) eigentlich die gesamte Hirnrinde bezeichnet, wird Cortex in der Fachsprache auch einschränkend für die Großhirnrinde verwendet. Entsprechend bedeutet das Adjektiv cortical (oder kortikal) eigentlich „die gesamte Hirnrinde betreffend“, wird aber oft im engeren Sinne von „die Großhirnrinde betreffend“ verwendet.

Die Großhirnrinde ist je nach Region nur 2 bis 5 Millimeter dick und ein Teil der grauen Substanz (Substantia grisea) des Großhirns. Die Nervenfasern der Neuronen der Großhirnrinde verlaufen unterhalb der Hirnrinde und sind Teil der weißen Substanz (Substantia alba) des Großhirns, die hier auch als Marklager bezeichnet wird. Großhirnrinde und Marklager bilden zusammen den Großhirnmantel (Pallium cerebri). Unterhalb der Großhirnrinde, subkortikal, befinden sich weitere Abschnitte grauer Substanz des Großhirns als subkortikale Kerngebiete (Basalganglien, Claustrum und Corpus amygdaloideum).

In dieser anatomischen Zeichnung sind Teile des linken Stirn-, Scheitel- und Schläfenlappens entfernt, so dass sich die dunklere Rinde und das hellere Marklager unterscheiden lassen.

Makroskopische Gliederung

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Die noch heute gültige Terminologie der Hirnlappen und -windungen wurde 1869 von Alexander Ecker (1816–1887) vorgeschlagen.

Unterteilung des Großhirns in Hirnlappen (Lobi)

Der Cortex lässt sich grob in fünf bis sechs Lappen (Lobi) einteilen, die durch tiefere Spalten (Fissurae) voneinander getrennt sind. Hiervon liegen an der Hirnoberfläche:

Bedeckt von Teilen des Frontal-, Parietal- und Temporallappens liegt seitlich der

Zusätzlich fassen einige Autoren gewisse entwicklungsgeschichtlich ältere Teile des Cortex (z. B. Gyrus cinguli und Hippocampus) zusammen als sechsten

Die Untergliederung dieser Lappen ist nicht nur morphologisch, sondern auch funktionell von Bedeutung, da jedem Lappen ein spezielles primäres Verarbeitungsareal zukommt:

Faltung (Gyrierung)

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Entwicklung des Gehirns zwischen der 30. und 38. Schwangerschaftswoche.
Dreieck (▼): Gehirnvolumen
Kreis (⚫): Hirnoberfläche
Raute (◆) im kleineren Schaubild: Verhältnis von Oberfläche zu Volumen

Die Großhirnrinde zeichnet sich bei vielen Säugetieren durch zahlreiche Windungen (lateinisch-griechisch Gyri, Singular Gyrus), Spalten (lateinisch Fissurae, Singular Fissura) und Furchen (lateinisch Sulci [cerebri], Singular Sulcus) aus. Die Faltung dient der Vergrößerung der Oberfläche: beim Menschen beträgt diese etwa 1800 cm². Bei der Furchung des Cortex unterscheidet man eine Primärfurchung, die bei allen Individuen annähernd gleich ist, von einer Sekundär- und Tertiärfurchung, die so individuell wie ein Fingerabdruck sein können.

Gefurchte Gehirne bezeichnet man als gyrenzephal. Bei einigen Kleinsäugern (beispielsweise Nagetiere, Igel) und bei Vögeln besitzt der Cortex keine Furchen (lissenzephales Gehirn). Das Gen Trnp1 besitzt die Fähigkeit durch unterschiedliche Expressions-Levels die Gyrierung zu beeinflussen und in normalerweise lissenzephalen Gehirnen sogar zu induzieren.[2]

Die Lobi und Gyri werden durch die Fissuren und Sulci voneinander getrennt. Deren wichtigste Vertreter sind:

  • Fissura longitudinalis, die den Spalt zwischen den beiden Hemisphären bildet. In die Fissura longitudinalis ragt die Falx cerebri.
  • Sulcus centralis trennt den Frontal- und Parietallappen (Gyrus praecentralis beziehungsweise Gyrus postcentralis) und somit das primär motorische vom primär sensiblen Rindenfeld
  • Sulcus lateralis (auch Sylvische Fissur) liegt oberhalb der Insula und trennt den Temporallappen von den darüber liegenden Frontal- und Parietallappen
  • Sulcus parietooccipitalis zwischen Parietal- und Occipitallappen
  • Sulcus calcarinus teilt innerhalb des Occipitallappens die primäre Sehrinde in einen oberen und unteren Anteil, welcher das jeweils gegenüberliegende Gesichtsfeld repräsentiert, das heißt oberhalb des Sulcus calcarinus das untere Gesichtsfeld, unterhalb des Sulcus calcarinus das obere.

Histologische Gliederung

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Der Cortex kann nach zwei Gesichtspunkten unterteilt werden. Zum einen aufgrund seines histologischen Feinbaus in einen sechsschichtigen Isocortex und einen drei- bis fünfschichtigen Allocortex. Innerhalb der Cortexformen lassen sich Variationen im histologischen Feinbau feststellen, nach denen die Großhirnrinde des Menschen 1909 von Korbinian Brodmann in 52 Areale unterteilt (Brodmann-Areale oder -Felder) wurde. Ein anderer Gesichtspunkt ist das stammesgeschichtliche Alter der Hirnrinde, nachdem der Cortex in einen neueren Neocortex und die älteren Archicortex und Palaeocortex unterteilt wird.

Im Folgenden wird der histologische Aufbau des Isocortex beschrieben. Informationen zum Archicortex finden sich z. B. unter Hippocampus.

Zelltypen der Großhirnrinde

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Sternzellen

Die sechs Schichten der Großhirnrinde sind durch das Vorkommen bestimmter Zelltypen gekennzeichnet. Viele dieser Zellen sind Interneurone, deren Fortsätze den Cortex nicht verlassen und zwischen kortikalen Neuronen überwiegend GABAerg verschalten (Calbindin-positive Zellen). Den Cortex charakterisieren zwei Typen von Neuronen, die histologisch miteinander verwandt (Calmodulin-Kinase II-positive Zellen) vermutlich aus gleichen Vorläuferzellen entstehen. Zum einen Typ gehören die sogenannten Pyramidenzellen, zum anderen Typ die Körnerzellen, im deutschen Sprachraum gelegentlich als modifizierte Pyramidenzellen bezeichnet, im angloamerikanischen Gebrauch auch bedornte Sternzellen genannt.

  • Pyramidenzellen sind die größten Zellen des Cortex und nach der im Querschnitt dreieckigen Form ihres Zellleibs benannt, dessen Basis meist parallel zur Cortexoberfläche liegt. Sie haben gewöhnlich ein markwärts gerichtetes basales Axon sowie mehrere basale und einen apikalen Dendriten mit Dornen. Die Pyramidenzelle ist die efferente Zelle des Großhirns. Sie ist CaMK II-positiv und benutzt Glutamat als Neurotransmitter. Ihr Axon kann unterschiedlich lang sein, im Falle der besonders großen Betz’schen Riesenzellen des Motorcortex reicht es bis in das Rückenmark.
  • Körnerzellen (bedornte Sternzellen oder modifizierte Pyramidenzellen) haben einen abgerundeteren Zellleib und viele bedornte Dendriten, von denen einer apikal aus der Zelle hervorgeht und die anderen quasi überall am Zellleib beginnen, weshalb sie im histologischen Bild an einen Stern erinnert. Sie sind ebenfalls glutamaterg und CaMK II-positiv und stellen die afferenten Zellen des Cortex dar, welche Informationen aus anderen Hirnarealen und vor allem aus dem Thalamus empfangen.
  • Interneurone sind in der Großhirnrinde zahlreich. Sie haben unterschiedliche Formen und sind meistens GABAerg sowie Calbindin-positiv. Ihre Fortsätze dienen den Verschaltungen zwischen Nervenzellen innerhalb des Cortex und verlassen ihn so nicht. Sie werden in Doppelbuschzellen, Candelaberzellen, unbedornte Sternzellen, Fusiforme Zellen, Marinotti-Zellen, Horizontalzellen und Bipolare Zellen unterschieden.

Zusätzlich zu den Nervenzellen befindet sich im Cortex auch eine Vielzahl an Gliazellen. Sie bilden die Bindesubstanz zwischen den Neuronen und kommen verschiedenen Sonderaufgaben nach, für die sie jeweils spezialisiert sind:

Eine nennenswerte interzelluläre Matrix gibt es im Gehirn nicht, das gilt auch für die Großhirnrinde. Der Spalt zwischen Nerven- und Gliazellen ist nur 10 bis 50 Nanometer breit.

Durch das Vorhandensein der verschiedenen Zelltypen lässt sich der Cortex in verschiedene Schichten untergliedern

Rindenschichten – links Zellfärbung, rechts Darstellung der Fasern.
Die Schichten II und III sowie IV und V sind in der Abbildung zusammengefasst.

Von außen nach innen sind dies im Isocortex:

  • Lamina I (Stratum moleculare): Sie ist ein zellarmer Anteil des Cortex, in dem hauptsächlich Fasern und vereinzelte Interneurone zu finden sind. In der Embryonalentwicklung entsteht diese Schicht als erste, indem sich hier die ersten Neurone (Cajal-Retzius-Zellen) einlagern, die jedoch im späteren Entwicklungsverlauf Apoptose eingehen. Die anderen Schichten entwickeln sich invers: unter die Schicht I legt sich die Schicht VI, durch die dann die Neurone der Schicht V wandern, danach Schicht IV und so weiter, bis zum Schluss die Schicht II angelegt wird. In der Lamina I liegt ein ausgeprägtes Faserbündel, der Exner-Streifen.
  • Lamina II (Stratum granulosum externum): Hier finden sich vor allem kleinere bedornte Sternzellen.
  • Lamina III (Stratum pyramidale externum): Hier liegen kleinere Pyramidenzellen, sowie ein Faserzug, der Kaes-Bechterew-Streifen.
  • Lamina IV (Stratum granulosum internum): In dieser Schicht liegen die größeren primärafferenten bedornten Sternzellen, die Projektionen aus anderen Hirnarealen enthalten. Dementsprechend ist diese Schicht in der Hör-, Seh- und sensiblen Rinde besonders stark ausgeprägt (granulärer Cortex), während sie in motorischen Rindenfeldern praktisch völlig fehlt (agranulärer Cortex). In der Lamina IV liegt ein weiteres Fasergeflecht, das äußere Band von Baillarger. In der Sehrinde ist dieses Band derart stark ausgebildet, dass es auch makroskopisch mit bloßem Auge sichtbar ist. Diesem hier als Gennari- oder Vicq d’Azyr-Streifen benannten Streifen verdankt die Sehrinde ihren Namen als Area striata.
  • Lamina V (Stratum pyramidale internum): Sie ist der Sitz der großen Pyramidenzellen, die aus der Hirnrinde herausprojizieren. Im Motorcortex finden sich hier besonders große Pyramidenzellen (Betzsche Riesenzellen), während die Schicht im granulären Cortex vollkommen fehlt. Des Weiteren liegt hier der tiefste aller Fasergeflechte des Cortex, das innere Band von Baillarger.
  • Lamina VI (Stratum multiforme): Hier liegen viele verschiedene Pyramiden- und bedornte Sternzellen, sowie zahlreiche Interneurone.

Neben den horizontalen Schichten ist der Cortex oftmals vertikal in Säulen organisiert. Diese kortikalen Säulen sind vor allem in den primären sensorischen Arealen ausgeprägt und zeichnen sich durch eine starke Konnektivität innerhalb einer Säule aus. Sie stellen damit vermutlich die elementaren Verarbeitungseinheiten (Module) der Großhirnrinde dar.

In einer großangelegten Studie untersuchten Chen et al. (2008) die Modularität eines kortikalen Netzwerks bestehend aus insgesamt 54 Hirnregionen. Im Zuge der statistischen Auswertung der erhobenen Daten konnte gezeigt werden, dass eine Vielzahl von Verknüpfungen zwischen den untersuchten Regionen besteht, und dass die Dicke des Cortex alleine die notwendige Information über die Modularität des Gehirns liefern kann.[3]

Interne Organisation

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Faserpräparat

Man unterscheidet drei verschiedene Verlaufsformen der Axone:

In der Makroskopie sind diese verschiedenen Bahnen deutlich sichtbar im Marklager des Großhirns organisiert. Von außen nach innen erkennt man hier kurze Assoziationsfasern (Capsula extrema), lange Assoziationsbahnen (Capsula externa) und ganz innen die Projektionsfasern der Capsula interna. Die gleiche Anordnung nach Länge und Typ haben die Fasern im Cortex. Wenn man sich klarmacht, dass die Schichten II und IV afferent und die Schichten III und V efferent sind, ist es recht logisch nachvollziehbar, wie der Cortex intern organisiert ist:

  • Kurze und mittellange Assoziationsfasern beginnen in Schicht III und enden in Schicht II
  • Kurze Kommissurenfasern beginnen in Schicht III und enden in Schicht II
  • Lange Assoziations- und Kommissurenfasern beginnen in Schicht V und enden in Schicht IV
  • Lange afferente Projektionen enden in Schicht IV
  • Lange efferente Projektionen beginnen in Schicht V
  • Verbindungen aus allocorticalen Arealen (Riechhirn, Claustrum, Amygdala etc.) sowie Projektionen aus unspezifischen Thalamuskernen enden in Schicht VI und teilweise in Schicht I.

Funktionelle Gliederung

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Funktionelle Organisation der Großhirnrinde
Primär-motorisches Areal
Prä/Supplementär-motorische Areale
Primär-sensible Areale
Sensible Assoziationsareale
Sehfelder
Hörfelder

Lokale Gliederung

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In der Großhirnrinde befinden sich funktionelle Zentren, die in engem Zusammenhang mit den Brodmann-Arealen stehen. Die wichtigsten funktionellen Zentren sind die primären motorischen und die primären sensorischen Areale.

Zu den primären Arealen kommt meist eine ganze Reihe sekundärer Areale, die ebenfalls ausschließlich Informationen aus einer Modalität (Sehen, Hören, Motorik) bearbeiten.

Diese Cortex-Regionen nehmen eine zentrale Stellung in der Verarbeitung und Bewusstwerdung neuronaler Impulse ein, dürfen jedoch nicht isoliert betrachtet werden, da das gesamte Nervensystem ein vielfach verschaltetes Netzwerk darstellt. Der Rest der Großhirnrinde wird vom Assoziationscortex eingenommen, also Arealen, die multimodalen Input bekommen und oftmals weder eindeutig sensorische oder eindeutig motorische Aufgaben haben. Heute weiß man, dass komplexe Fähigkeiten wie Motivation, Aufmerksamkeit, Kreativität, Spontaneität und beispielsweise auch die Verinnerlichung sozialer Normen von ihnen abhängen.

Das Konnektom gliedert funktionell nach jeweils verbundenen Neuronen, lokale Strukturen sind nebensächlich. Bei den lokalen Gliederungen bestehen die funktionellen Teile aus Nervengewebe, also aus vermengten Neuronen und Gliazellen. Das Konnektom beschreibt bisher alleinig die verbundenen Neuronen. Die Astrozyten befinden sich bei dieser Gliederung zwischen den verbundenen Neuronen.

Die Großhirnrinde erhält ihre zuführenden (Afferenz) Informationen überwiegend vom Thalamus. Diese Informationen umfassen Sinneswahrnehmungen der verschiedenen Sinnesorgane. Bereiche, welche solche Informationen erhalten, werden als Sinnesbereiche oder Projektionszentren bezeichnet, z. B. der visuelle Cortex. Die beiden Hemisphären (linke und rechte) erhalten die Informationen der jeweils anderen Hälfte des Körpers, da die zuführenden Bahnen im Verlauf auf die Gegenseite kreuzen. Die Teile der Großhirnrinde, die Informationen über den Thalamus beziehen, werden als primäre Sinnesbereiche bezeichnet.

Weitere Bereiche erhalten Impulse von den primären Sinnesbereichen und kombinieren die Informationen unterschiedlicher Sinnesorgane. Diese assoziativen Bereiche nehmen bei allen Primaten, besonders beim Menschen, viel Raum ein.

Schließlich leiten die Assoziationsareale Informationen an die motorischen Bereiche weiter. Dort entstehen die Befehle für alle willkürlich steuerbaren Körperfunktionen und werden über die Pyramidenbahn als hauptsächlichem Output des Großhirns an die Peripherie weitergeleitet. Teile des Motorcortex sind eng mit den Basalganglien und dem Kleinhirn verschaltet.

Neben den Informationen, die von den Sinnesorganen über den Thalamus die Rinde erreichen, erhalten alle Bereiche des Cortex zusätzliche „unspezifische“ Erregungen aus den thalamischen Kerngebieten der Formatio reticularis. Diese Erregungen des aufsteigenden retikulären Aktivierungssystems (ARAS) sind rhythmisch, wobei ihre Frequenz mit dem Grad der Wachheit (Vigilance) veränderlich ist. Das Spektrum reicht von etwa 3 Hz im Tiefschlaf und Narkose bis ca. 40 Hz bei hellwacher Anspannung, z. B. beim Lesen.

Die Oszillationen des ARAS werden in einer schleifenförmigen Leitung zwischen Thalamus und den Basalganglien (Striatum, Pallidum, Nucleus caudatus, Putamen) erzeugt, sie bilden den natürlichen „Hirnschrittmacher“. Elektronische Hirnschrittmacher, die in letzten Jahren zur Behandlung der Parkinson-Krankheit entwickelt wurden, versuchen diese aktivierende und hemmende Funktion des ARAS zu ersetzen.

Das Blue-Brain-Projekt hatte eine Computersimulation des Neocortex zum Ziel.

Die Evolution und Funktion des Großhirns

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Das menschliche Gehirn ist keine Neuentwicklung der Natur. Es hat sich wie alle anderen Organe aus einfachen Formen entwickelt. Das Nervensystem entwickelt sich aus einer sehr einfachen Struktur, dem äußeren Keimblatt (Ektoderm). Dass ein Organ der Informationsverarbeitung aus der äußeren Grenzschicht entsteht, ist leicht verständlich, weil hier die Reize aus der Umwelt auftreffen. Erst im Lauf der Evolution wurden die empfindlichen Nervenverbände in die Tiefe des Neuralrohrs verlegt, weil sie dort besser geschützt sind. Die Verbindungen zur Außenwelt blieben über die nun spezialisierten Sinnesorgane bestehen.

Mit der Entstehung spezialisierter Sinnesorgane ist die Bildung einer Nervenzentrale verbunden, die den ganzen Körper einheitlich nach den Sinneseindrücken steuern kann. Weil sich schon früh in der Geschichte der Wirbeltiere Augen, Ohren und chemische Sinne (Geschmack, Geruch) ausbilden, ist das Gehirn aller Wirbeltiere in gleicher Art zur zentralen Integration dieser Sinne konstruiert.

Das Endhirn war zunächst Verarbeitungszentrum für das Geruchsorgan. Weil der Geruchssinn ein allgemeines Warn- und Reizsystem hoher Empfindlichkeit ist, aber wenig über die räumliche Situation bzw. den Ort der Reizquelle aussagt, ist für das Riechhirn eine Verbindung mit den optischen und akustischen Zentren des Mittelhirns notwendig, mit der alle Sinnesqualitäten auf einer gemeinsamen Ebene vereinigt werden.

Diese gemeinsame Ebene entsteht schon bei den Reptilien aus einer Erweiterung des Endhirns als Telencephalon oder rudimentärer Cortex. Bereits bei Fröschen und Salamandern ist diese Hirnstruktur für die Integration der verschiedenartigen Reize angelegt. Für die Umschaltung der Seh-, Tast- und Hörwelt vom Mittelhirn auf das Endhirn entwickelt sich ein Teil des Vorderhirns, das Zwischenhirn. Aus ihm entsteht der Thalamus, der aus mehreren Kerngruppen die spezifischen Signale des Mittelhirns zu spezifischen Regionen der Großhirnrinde sendet. Man bezeichnet diese Anordnung als ein Projektionssystem, die Anatomen nannten den Thalamus das „Tor zum Bewusstsein“.

Mit dem Wegfall des Schuppenkleides der Fische bzw. der Hornschuppen der Reptilien wurde bei den Säugetieren die ganze Haut zu einem empfindlichen Sinnesorgan, das ebenso über Projektionsbahnen im Cortex mit den übrigen Sinnesqualitäten in ganzheitliche Verbindung gelangt.

Eine Nervenzentrale, in der alle Qualitäten der Umweltsignale zusammengeführt werden, wäre nicht sinnvoll, wenn in ihr keine Befehle für die Reaktionen des Organismus gebildet und an die ausführenden Organe geleitet werden könnten. Weil das Geruchsorgan von Anfang an einen steuernden Zugriff auf komplexe Verhaltensweisen hat, kann das zum Integrationszentrum aller Sinne erweiterte Riechhirn auf diese Steuerungsbahnen zurückgreifen, um aus der Vereinheitlichung aller Empfindungen ganzheitliche Verhaltensschritte zu entwickeln.

Diese Integrationsleistung des Neocortex, die alle Sinne zu einem Ganzen verbindet und sinnvolle Verhaltensmuster daraus herstellt, ermöglicht bereits Ratten, Katzen usw. ein intelligentes Verhalten, das bei Insekten oder einfachen Organismen so nicht vorkommt. Dabei zeigt sich, dass schon Vögel und Mäuse ihr integratives Zentrum, die Hirnrinde, nicht nur als Kommandozentrale, sondern auch als besonders leistungsfähigen Informationsspeicher (Gedächtnis) nutzen können (siehe auch: Gehirn und Kognition der Vögel). Eine Fliege lernt es nie, den Zusammenstoß mit einer Fensterscheibe zu vermeiden, während ein Vogel nach einigen Erfahrungen einen vorsichtigen Umgang mit der durchsichtigen Wand lernt.

Nur Tiere, die über einen Cortex verfügen, können auch dressiert werden, das heißt, sie entwickeln ein Gedächtnis für sprachliche Anweisungen, die auch über die angeborenen Verhaltensmuster dominieren können. Deutlich ist diese Lernfähigkeit bei den Delphinen, die als Säugetiere mit einem mächtigen Cortex ausgestattet und gut dressierbar sind, während die relativ großhirnarmen Haie zur Dressur wenig geeignet sind.

Mit der Entwicklung des Cortex kommt zunehmend eine spielerische Phase der Jungtiere zum Vorschein, die als Lernphase der Hirnrinde zu verstehen ist und uns den Eindruck vermittelt, dass diese Tiere (z. B. Hunde, Katzen usw.) ähnliche geistige Zustände wie die Menschen empfinden.

Eine mächtige Entwicklung der Großhirnrinde wurde bei den Affen durch die Sonderstellung der Hände ausgelöst. Als bei den Säugetieren noch alle vier Extremitäten ausschließlich zur Fortbewegung dienten, genügten einfache Reflexmuster auf Rückenmarksebene dazu, den harmonischen Laufrhythmus zu steuern. Bei den Primaten geschieht ein Wandel der Fortbewegung, vom Vierfüßler zum Klettertier. Damit kommt es zu einer Umkonstruktion der vorderen Extremitäten, die zu Greifinstrumenten werden. Das alte Bewegungsmuster der Vierfüßler ist damit überfordert, aber die Großhirnrinde kann sich durch massives Wachstum den neuen Anforderungen der Handmotorik anpassen.

Zusätzlich ist bei den Säugern das Kleinhirn in Verbindung mit dem Gleichgewichtsorgan für die Ausführung komplizierter Bewegungsabläufe in das motorische System integriert. Aufrechtes Laufen auf zwei Beinen ist ohne diese Hirnstruktur nicht möglich. Die Zusammenarbeit zwischen Cortex und Kleinhirn lässt sich am Beispiel des Radfahrens so erklären: Die Entscheidung über Rechtskurve oder Bremsvorgang trifft der Cortex, während die Feinarbeit der Gewichtsverlagerung und viele automatische Bewegungsimpulse im Kleinhirn bearbeitet werden.

Bei den Affen hat sich die Stellung der Augen im Gesichtsfeld so geändert, dass immer ein räumliches Bild der Umwelt gesehen wird. Für die zentrale Auswertung der binokularen Bilder müssen neue Analysatoren in das System integriert werden, und auch dabei erweist sich die Großhirnrinde als anpassungsfähiges Integrationszentrum mit riesigem Speichervermögen für komplexe Information.

Mit dieser Ausstattung war spätestens Homo erectus für den aufrechten Gang in der Savanne gut gerüstet und konnte den Geruchssinn zu Gunsten der Fernsinne (Augen und Ohren) vernachlässigen. Der Cortex passte sich seinen neuen Anforderungen an, indem er seine Fläche durch Faltenbildung vergrößerte.

So weit ist das biologische Standardwissen detailliert erforscht und beweist, dass die Großhirnrinde von Anfang an für die Herstellung einer ganzheitlich vereinigten Projektion aller Umweltsignale und einer daraus basierenden Verhaltenssteuerung spezialisiert war und diese Aufgabe in der Evolution immer stärker ausdehnen konnte. Ein bisher noch unverstandener Speichermechanismus ist verantwortlich für die Gedächtnisfunktion dieser Integrationszentrale, die den Lebewesen neben der starren, genetischen Anpassung eine flexible Anpassung an beliebige neue Situationen ermöglicht.

Die ersten Menschen hatten mit diesem Gedächtnisorgan und einem verbesserten Kehlkopf die Grundlage für die Verfeinerung der äffischen Laut- und Gebärdensprache. Die veränderte Daumenstellung erleichterte den Gebrauch von Werkzeugen und sorgte für weitere Ausdehnung der Hirnrindentätigkeit.

Schon bei der Herstellung von Faustkeilen mit scharfen Klingen ergab sich eine Aufgabenteilung für die beiden Hände, indem eine Hand zum Festhalten und die zweite Hand für gestaltende Feinarbeiten bevorzugt wurden. Viele Tätigkeiten mit Werkzeugen fördern eine differenzierte Spezialisierung der Hände, und spätestens beim systematischen Training des Schreibens ist eine dominante Hand kaum noch zu vermeiden.

Dementsprechend unterscheiden sich die beiden Seiten der Hirnrinde im Lauf der Evolution und der individuellen Entwicklung zunehmend, und nur auf der Seite der schreibenden Hand wird zusammen mit den Buchstabenverbindungen auch die Artikulation der Sprache gründlich trainiert. Weil die Nervenbahn des rechten, schreibenden Armes im linken Cortex beginnt, liegen auch die Sprachzentren im linken Großhirn, das deshalb als die dominante Hemisphäre bezeichnet wird.

Die Evolution des Cortex ist nachvollziehbar. Es fehlt nur noch eine wissenschaftlich einleuchtende Erklärung für die Leistungsfähigkeit, die sich in den grauen Falten unter der Schädeldecke als Gedächtnis und Bewusstsein erleben und in Sprache ausdrücken lässt.

Einzelnachweise

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  1. Federative Committee on Anatomical Terminology (Hrsg.): Terminologia Anatomica. Thieme, Stuttgart 1998.
  2. Ronny Stahl, Tessa Walcher, Camino De Juan Romero, Gregor Alexander Pilz, Silvia Cappello: Trnp1 regulates expansion and folding of the mammalian cerebral cortex by control of radial glial fate. In: Cell. Band 153, Nr. 3, 25. April 2013, S. 535–549, doi:10.1016/j.cell.2013.03.027, PMID 23622239 (englisch).
  3. Zhang J. Chen, Yong He, Pedro Rosa-Neto, Jurgen Germann, Alan C. Evans: Revealing Modular Architecture of Human Brain Structural Networks by Using Cortical Thickness from MRI. In: Cerebral Cortex, 18(10), 2008, S. 2374–2381.