Ernest Pictet

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Ernest Pictet, 1854
Ernest Pictet, ohne Datum
Das Grab von Ernest Pictet und seiner Ehefrau Gabrielle auf dem Friedhof von Petit-Saconnex in Genf

Ernest Pyrame-Marc Pictet auch Ernst Pictet (* 9. Juli 1829 in Le Petit-Saconnex; † 19. August 1909 ebenda) war ein Schweizer Bankier und Politiker.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ernest Pictet entstammte der Familie Pictet[1], die ursprünglich aus Neydens stammte, und war der Sohn des Politikers und Historikers Jules Pictet (* 29. Juni 1795 in Vernier; † 16. Januar 1888 in Genf)[2] und dessen erster Ehefrau Adélaïde (* 1. Januar 1807 in Genf; † 2. September 1829 ebenda), die Tochter von Jacob-Michel-François de Candolle (1778–1841)[3], Gründer der Bank Pictet (siehe Pictet-Gruppe); sein Bruder war der Politiker Gustave Pictet.

Augustin-Pyrame de Candolle, Botaniker und Naturwissenschaftler, war sein Grossonkel.

Ernest Pictet war seit dem 10. Juli 1856 mit Gabrielle Elisabeth (* 16. Juli 1838; † 15. Juli 1916), der Tochter des Advokaten Horace Fuzier-Cayla (1809–1840)[4], verheiratet; gemeinsam hatten sie acht Kinder, von denen sechs das Erwachsenenalter erreichten[5][6]:

Zu seinen Enkelkindern gehörten unter anderem Jean Pictet, Vizepräsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, der Jurist und Politiker Albert Pictet (1890–1969)[10] und seine Enkelin Albertine Pictet (1884–1946) war mit dem Rektor der Universität Genf, Paul-Edmond Martin, verheiratet.

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ernest Pictet immatrikulierte sich 1847 zu einem Studium der Natur- und Geisteswissenschaften an der Universität Genf, beendete das Studium bereits im darauffolgenden Jahr, trat eine Banklehre im englischen Liverpool an und war dort von 1850 bis 1855 Angestellter in einem Handelshaus.

1855 wurde er Teilhaber der Bank Edouard Pictet & Cie. in Genf und war seit 1878 Direktor der bis dahin umbenannten Bank Ernest Pictet & Cie.

Er war seit 1881 Präsident des Verwaltungsrats der Genfer Handelsbank (Banque du Commerce) in Genf.[11][12]

Von 1864 bis 1876 und von 1880 bis zu seinem Tod war er Richter am Genfer Handelsgericht, dem er bis 1876 präsidierte;[13] eine Präsidentschaft lehnte er 1880 ab.[14]

1893 gründete er eine Gesellschaft zum Kauf von Landgütern in der Toskana. Er führte die Mechanisierung ein und steigerte die Produktivität, um die Betriebe wieder zu verkaufen.[15]

Politisches und gesellschaftliches Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ernest Pictet war von 1858 bis 1878 im Gemeinderat von Genf sowie von 1886 bis 1902 im Gemeinderat von Le Petit-Saconnex, und dort ab 1894 Gemeindepräsident.

Von 1878 bis 1880 war er demokratischer Genfer Grossrat (1878 und 1879 Präsident) und von 5. Dezember 1887 bis zu seinem Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen am 30. Dezember 1890[16] sowie, als Nachfolger von Adrien Lachenal[17], vom 13. März1893 bis zum 3. Dezember 1893 Nationalrat; er verzichtete auf eine Wiederwahl.[18]

Er gründete 1865 die Genfer Handelskammer[19] und war 1870[20] Mitgründer des Schweizerischen Handels- und Industrievereins (siehe Economiesuisse), deren Präsident er von 1880 bis 1882 war.

1863 veröffentlichte er mit seiner Schrift Des banques de circulation en Suisse eine Broschüre, in der er vorschlug, die zahlreichen schweizerischen Kreditbanken miteinander zu verbinden, um den Handel in Zukunft zu erleichtern; zu dieser Zeit, 1864 gab es 66 Banken in der Schweiz[21], wurde der Geldverkehr noch auf dem Postweg geregelt, könnte aber zukünftig auf dem Rechnungsweg erfolgen. Er schlug vor, die verschiedenen schweizerischen Banken zu einer Einzigen zu vereinen und hierbei alle Geschäftszweige auszuschliessen, die prinzipiell nicht in den Rahmen eines solchen Instituts passen.[22] Auch 1872 setzte er sich, als Präsident des Handelsgerichts, für eine einheitliche Regelung auf Bundesebene ein[23] und sprach sich 1876 auf einem Kongress der schweizerischen Juristen erneut für ein einheitliches Banksystem aus.[24]

Er war 1871, gemeinsam mit dem Bankdirektor Conrad Keller, dem Züricher Hochschullehrer Johann Jakob Rüttimann und Nationalrat Carl Feer-Herzog, an einem Gutachten beteiligt, in dem sie sich mit der schweizerischen Banknotenfrage[25] beschäftigen.[26]

1880 gehörte er im Bundesrat der Kommission an, die sich mit dem Banknotengesetz befasste.[27][28][29]

Er sprach sich 1881 entschieden gegen die Einrichtung einer eidgenössischen Handelskammer aus und bestritt die Verfassungsmässigkeit einer solchen Einrichtung. Er bezweifelte auch deren Unabhängigkeit, denn der Bundesrat und sein Handelsdepartement würden mit ihren Entschlüssen vielleicht kaufmännischen Interessen entgegenstehen.[30][31]

1884 war er Mitglied der Kommission des eidgenössischen Finanzdepartements, die verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der internationalen Konferenz der Lateinischen Münzkonvention (siehe Lateinische Münzunion) in Paris besprach.[32][33]

Er gehörte 1885 der Kommission an, die die Genfer Sektion des Schweizerischen Alpen-Klubs gebildet hatte, um den Bau eines Denkmals für Horace Bénédict de Saussure in Chamounix finanziell zu unterstützen.[34]

1886 war er Vizepräsident der Kommission des Grossen Rats, die über das neue Schulgesetz[35] zu beraten hatte.[36]

Er sprach sich 1889 im Nationalrat für das neue Betreibungsgesetz (siehe Schuldbetreibungs- und Konkursrecht) aus.[37]

1891 bekämpfte er, im Rahmen der Schaffung eines Banknotenmonopols, die Idee einer Staatsbank und forderte vielmehr eine Nationalbank (siehe Schweizerische Nationalbank), die auf Aktien gegründet, durch den Staat kontrolliert werden könne.[38][39][40]

Seine Äusserungen und Meinungen beeinflussten 1893 die Schrift Die Schweizerische Staatsbank: Eine volkswirtschaftliche Skizze[41] von Karl Wilhelm von Graffenried (1834–1909)[42].

Er wurde 1898 durch den Bundesrat in die Expertenkommission für ein Bundesbankgesetz bestellt.[43][44]

1899 wurde er Mitglied im Bundesvorstand des neu gegründeten schweizerischen Genossenschaftsbunds.[45][46]

Er wurde 1902 zum Ehrenpräsidenten des Konkordats[47] der schweizerischen Emissionsbanken (siehe Emission (Wirtschaft)) ernannt.[48]

Ehrungen und Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Genf benannte die Avenue Ernest-Pictet nach dem Bankier und Politiker.[49]

Mitgliedschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ernest Picet war 1903 Schatzmeister des Genfer Hilfskomitees für die Armenier.[50]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Des banques de circulation en Suisse. Genf, 1863 (Digitalisat).
  • Conrad Keller; Carl Feer-Herzog; Johann Jakob Rüttimann; Ernest Pictet: Drei Gutachten über das schweizerische Banknotenwesen. Bern, 1871 (Digitalisat).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ernest Pictet. In: Neue Zürcher Zeitung vom 19. Juni 1902. S. 3 (Digitalisat).
  • Ernest Pictet. In: Neue Zürcher Zeitung vom 20. August 1909. S. 1 (Digitalisat).
  • Jean de Senarclens, Pia Todorovic Redaelli: Ernest Pictet. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Ernest Pictet. In: Suzanne Stelling-Michaud: Le livre du Recteur de l'Académie de Genève (1559–1878), Band 5. Genf, 1976. S. 175 (Digitalisat).
  • Ernest Pictet. In: Pictet & Cie – 200 Jahre Unternehmensgeschichte (Digitalisat).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ernest Pictet – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Barbara Roth, Pia Todorovic Redaelli: Pictet. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 8. Februar 2010, abgerufen am 10. Mai 2024.
  2. Barbara Roth, Pia Todorovic Redaelli: Amédée-Pierre-Jules Pictet de Sergy. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Februar 2010, abgerufen am 10. Mai 2024.
  3. Family tree of Jacob Michel François de Candolle. Abgerufen am 10. Mai 2024 (englisch).
  4. Family tree of Horace Fuzier-Cayla. Abgerufen am 10. Mai 2024 (englisch).
  5. Family tree of Ernest Pyrame-Marc Pictet. Abgerufen am 10. Mai 2024 (englisch).
  6. Ernest Pyrame Marc Pictet. In: Société Genevoise de Généalogie. Abgerufen am 10. Mai 2024 (französisch).
  7. Martin Kurz: Guillaume Pictet. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 1. Februar 2010, abgerufen am 10. Mai 2024.
  8. Jean de Senarclens, Pia Todorovic Redaelli: Paul Pictet. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 6. August 2009, abgerufen am 10. Mai 2024.
  9. Jean de Senarclens, Pia Todorovic Redaelli: Arnold Pictet. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 19. Oktober 2009, abgerufen am 10. Mai 2024.
  10. Barbara Roth, Pia Todorovic Redaelli: Albert Pictet. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 4. Januar 2010, abgerufen am 10. Mai 2024.
  11. Schweizerische Bankinstitute. In: Der Bund 3. März 1881. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  12. Handel und Verkehr: Verschiedene Nachrichten. In: Neue Zürcher Zeitung 15. Februar 1885. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  13. Genf. In: Die Ostschweiz 3. Juni 1876. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  14. Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 25. Mai 1880. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  15. Pictet. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  16. Telegramme. In: Neue Zürcher Zeitung 8. Oktober 1890. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  17. Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 21. Januar 1893. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  18. Genf. In: Der Bund 21. Oktober 1893 Ausgabe 02. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  19. History - Chambre de commerce, d'industrie et des services de Genève. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  20. Schweiz. Handels- und Industrieverein. In: Der Bund 15. März 1870. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  21. Schweiz. In: Neue Zürcher Zeitung 11. Februar 1864. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  22. Die Zeddelbanken in der Schweiz. 1865 (google.de [abgerufen am 11. Mai 2024]).
  23. Kantone: Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 12. November 1872 Ausgabe 02. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  24. Genf. In: Der Bund 27. September 1876. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  25. Olivier Frédéric Dubuis, Anja Lindner: Banknoten. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 4. November 2004, abgerufen am 10. Mai 2024.
  26. Bernischer Verein für Handel und Industrie. In: Der Bund 15. Februar 1871. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  27. Telegramme. In: Neue Zürcher Zeitung 3. Dezember 1879 Ausgabe 02. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  28. Zum schweiz. Banknotengesetz. In: Der Bund 1. September 1881. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  29. Telegramme. In: Neue Zürcher Zeitung 19. September 1889. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  30. Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 22. November 1881 Ausgabe 02. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  31. Die Gründung einer schweizerischen Handels-Kammer und die Westschweiz. In: Neue Zürcher Zeitung 30. November 1881. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  32. Lateinische Münzkonvention. In: Der Bund 6. Oktober 1884. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  33. Adolf Burckhardt-Bischoff: Die Lateinische Münz-Convention und der internationale Bimetallismus: zwei Vörtrage gehalten in der Statistisch-volkswirthschaftlichen Gesellschaft in Basel. H. Georg, 1886 (google.de [abgerufen am 11. Mai 2024]).
  34. Kleine Zeitung. In: Der Bund 29. November 1885. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  35. Das neue Genfer Unterrichtsgesetz. In: Schweizerisches Schularchiv: Organ der Schweizerischen Schulausstellung in Zürich, Band 7, Heft 10. 1886, abgerufen am 11. Mai 2024.
  36. Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 7. Juni 1886. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  37. Genf. In: Der Bund 9. November 1889. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  38. Inland: Landesbank oder Staatsbank. In: Bündner Nachrichten 5. Februar 1891. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  39. Neuestes. In: Tagblatt der Stadt Biel 11. Juni 1891. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  40. Revision des Banknoten-Artikels der Bundesverfassung. In: Zuger Volksblatt 13. Juni 1891. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  41. Karl Wilhelm von Graffenried: Die Schweizerische Staatsbank: Eine volkswirtschaftliche Skizze. Schmid, Franke, 1894 (google.de [abgerufen am 11. Mai 2024]).
  42. Christoph Zürcher: Karl Wilhelm von Graffenried. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Januar 2007, abgerufen am 11. Mai 2024.
  43. Bundesbank-Experten. In: Die Ostschweiz 29. Juni 1898. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  44. Der neue Gesetzentwurf über die Errichtung einer centralen Notenbank. In: Neue Zürcher Zeitung 1. April 1899. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  45. Olten. In: Neue Zürcher Zeitung 20. Februar 1899. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  46. ideecooperative: Die Geschichte der idée coopérative. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  47. Kaiser: Dichtung und Wahrheit, oder, der Banknoten-Spektakel in der Schweiz im Herbste 1879. Orell Füssli, 1879 (google.de [abgerufen am 11. Mai 2024]).
  48. Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 16. Juni 1902. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  49. PICTET. Abgerufen am 11. Mai 2024 (französisch).
  50. Comité genevois de secours aux Arméniens. In: Base de données des élites suisses. Abgerufen am 10. Mai 2024.