Chosrau, Schirin und der Fischer

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Chosrau II. und seine Gattin Schirin. Zeichnung von René Bull.

Chosrau, Schirin und der Fischer ist eine Erzählung aus den Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. In der Arabian Nights Encyclopedia wird sie ANE 123.

In der Kurzgeschichte hört der persisch-sassanidische Herrscher Chosrau II. (reg. 590 bis 628) auf, auf seine Frau Schirin und jemals wieder eine Frau zu hören.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der persisch-sassanidische König Chosrau II. aß gerne Fische. Als er eines Tages mit seiner Gattin Schirin Hof hielt, kam ein Fischer zu ihm und überreichte ihm als Geschenk einen großen Fisch, woraufhin der König ihm viertausend Dirham gab. Schirin machte ihrem Gatten Vorwürfe wegen seiner Großzügigkeit und behauptete, fortan werde jeder Höfling, der weniger als diesen Betrag erhält, denken, dass der König ihn weniger schätzt als einen Fischer. Um das Geld zurückzubekommen wollte Schirin den Fischer überlisten. Sie fragt, ob der Fisch männlich oder weiblich sei. Der schlaue Fischer antwortete, der Fisch sei ein Zwitter, mit beiden Geschlechtern. Der lachte der König und belohnte ihn mit 4.000 weiteren Dirham. Auf seinem Weg nach draußen ließ der Fischer versehentlich einen Dirham fallen und bückte sich, um ihn aufzuheben. Schirin warf dem Fischer Geiz vor, denn er ließ nicht einmal einen Dirham für die Diener zurück. Der Fischer wurde zurückgerufen und befragt, behauptete aber, dass er die Münze nur aufgehoben hatte, weil er nicht auf das darauf geprägte Bildnis des Königs treten wollte. Nun gab König Chosrau ihm noch einmal 4.000 Dirham und beschloss, nie wieder auf den Rat einer Frau zu hören.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tausendundeine Nacht-Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Anekdote findet sich in den ägyptischen Manuskripten und in den frühen arabischen Druckausgaben von Tausendundeine Nacht. Die Kalkutta-II-Ausgabe diente als Vorlage für die Übersetzungen von Richard Burton[1] und Enno Littmann.[2]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der klassisch-arabischen Literatur findet sich die Geschichte erstmals im Kitâb al-Mahâsin wa-'l-addâd, das fälschlicherweise al-Dschahiz (gest. 869) zugeschrieben wird.

Wissenswertes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chosrau und Schirin sind eines der bekanntesten Liebespaare der nahöstlich-orientalischen Literatur, deren Geschichte durch den persischen Schriftsteller Nezami (1141–1209) in dem Epos Chosrau und Schirin verewigt wurde.

Die Erzählung, dass Chosrau nie wieder auf eine Frau hörte bzw. das Befolgen der Anweisungen einer Frau ins Unglück führt, fand auch Einzug in die religiöse Literatur des Islam. In den Hadithsammlungen, die Überlieferungen enthalten, die angeblich auf den Propheten Muhammad zurückgehen, findet sich die Erzählung, dass Muhammad die angebliche Thronbesteigung einer Tochter des Chosrau mit den Worten kommentierte: „Kein Volk, das von einer Frau geführt wird, wird erfolgreich sein.“ Die Erzählung findet sich etwa im Sahih al-Bukahri (Nr. 4425)[3] und wird in konservativen islamischen Kreisen wörtlich genommen. Taqī al-Dīn al-Nabhānī (gest. 1977), der Gründer der islamistischen Bewegung Hizb ut-Tahrir, nutzte den Hadith zur Begründung seiner Ansicht, dass eine Frau kein Kalif werden und kein führendes Amt besetzen darf.[4]

Ausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Enno Littmann: Die Erzählungen aus den tausendundein Nächten, Karl Insel Verlag, Frankfurt 1968 (Erstausgabe 1922–1928), 6 Bände (Kalkutta-II-Edition), Band 3, S. 494–496.
  • Joseph-Charles Mardrus: The Book of the Thousand Nights and One Night, Routledge, London 1989, 4 Bände, Band 2, S. 387f.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ulrich Marzolph, Richard van Leeuwen und Hassan Wassouf: The Arabian Nights Encyclopedia, ABC-Clio, Santa Barbara 2004, S. 255.
  2. Enno Littmann: Die Erzählungen aus den tausendundein Nächten, Karl Insel Verlag, Frankfurt 1968 (Erstausgabe 1922–1928), 6 Bände (Kalkutta-II-Edition), Band 3, S. 494–496.
  3. Al-Bukhari: The Translation of the Meanings of Sahih al-Bukhari, Darussalam, Riad 2015, Band 5, S. 436.
  4. Taqi al-Din al-Nabhani: Das Regierungssystem im Islam, Hizb ut-Tahrir, 2002 (1953) S. 43.