AMB-Reaktor

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Kernkraftwerk Belojarsk. Im Vordergrund die Reaktorgebäude der AMB-Reaktoren, im Hintergrund das des BN-600

Der AMB (russisch АМБ (Атом Мирный Большой, etwa: „friedliches Atom - groß“),[1]) war ein Kernreaktor­typ, der in der Sowjetunion als Prototyp entwickelt wurde.[2] Die Erfahrungen mit dem AMB-Reaktor sollten dazu dienen, eine serienmäßige Reaktorbaureihe in der Sowjetunion zu entwickeln. Er gilt als Vorgänger des RBMK.

Einsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die einzigen Reaktoren dieses Typs, ein AMB-100 und ein AMB-200, wurden im Kernkraftwerk Belojarsk installiert. 1954 in Auftrag gegeben, wurde der erste von ihnen 1964 in Betrieb genommen, der zweite 1967.[3] 1977 kam es zu einer teilweisen Kernschmelze in AMB-200 mit der INES-Stufe 5[4] und 1978 durch Einsturz des Dachs der Turbinenhalle, das bei kaltem Wetter unter starker Beanspruchung stand, zu einem Brand, der zur Abschaltung beider Reaktoren zwang.[5] AMB-100 wurde 1983 endgültig abgeschaltet, AMB-200 im Jahr 1989.[6] Die Reaktoren werden zur Demontage und Wiederaufarbeitung des Brennstoffs vorbereitet.[7]

Funktionsweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim AMB handelt es sich um einen graphitmoderierten Siedewasser-Druckröhrenreaktor, der bei einem Druck von 8.8 MPa und Heißdampf­temperaturen von bis zu 510…550 °C (übliche Betriebstemperatur: 500 °C) arbeitete.[3] Um Schäden an den Brennelementen durch Überhitzung zu vermeiden, wurde die Betriebstemperatur auf 400…450 °C gesenkt.[8] Der Radiolyse des Wassers wurde durch Zusatz von Ammoniak in AMB-100 und Hydrazin in AMB-200 entgegengewirkt.[3] AMB-100 hatte einen indirekten Dampfkreislauf, während AMB-200 einen direkten hatte. Der Dampf trieb eine (AMB-100) oder zwei (AMB-200) Turbinen an.[9] Der Anreicherungsgrad des Brennstoffs betrug 1,5 % bis 21 % bei einem Mittelwert von 3 %.[10] Sowohl Brennelemente als auch Kühlrohre lagen – so nur bei AM- und AMB-Reaktoren sowie in den Reaktoren des Kraftwerks Bilibino ausgeführt – in Graphitmänteln, die Teil der Brennstoffanordnung waren und mit den Brennelementen ausgetauscht wurden.[11] AMB-100 hatte eine thermische Leistung von etwa 285 MW, von der etwa 100 MW in elektrische Energie umgesetzt wurden.[2] AMB-200 hatte eine thermische Leistung von 530 MW[11] und einen Wirkungsgrad von 36 %.[9]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Атом Мирный Большой: последний путь. Abgerufen am 25. Dezember 2013 (russisch).
  2. a b Paul R. Josephson: Red Atom: Russia's Nuclear Power Program from Stalin to Today. University of Pittsburgh Press, 2005, ISBN 978-0-8229-7847-3, S. 28.
  3. a b c Fifth National Report of the Russian Federation on the Fulfillment of Commitments Resulting from the Convention of Nuclear Safety. Moscow, 2010, S. 123 (iaea.org [PDF]).
  4. Minh Ha-Duong, V. Journé: Calculating nuclear accident probabilities from empirical frequencies. In: Environment Systems and Decisions. 32. Jahrgang, Nr. 2, 2014, S. 249–258, doi:10.1007/s10669-014-9499-0 (archives-ouvertes.fr).
  5. Юрий Яворовский: Страшная новогодняя история со счастливым концом (Memento des Originals vom 14. Juli 2016 im Internet Archive) In: Нижегородская правда, 4. Januar 2011 
  6. Beloyarsk NPP. Rosenergoatom, abgerufen am 14. Juli 2016.
  7. Preparation of the AMB-100 and AMB-200 reactor SNF for transportation and reprocessing at Mayak PA. SONSY Research & Development Company, archiviert vom Original am 14. Juli 2016; abgerufen am 14. Juli 2016.
  8. Österreichische Ingenieur-Zeitschrift 18 (1975) S. 73
  9. a b Steven B Krivit; Jay H Lehr; Thomas B Kingery (Hrsg.): Nuclear Energy Encyclopedia: Science, Technology, and Applications. Wiley, 2011, ISBN 978-1-118-04347-9, S. 318–319.
  10. Pavel Podvig: History of Highly Enriched Uranium Production in Russia. In: Science & Global Security. 19. Jahrgang, 2011, S. 46–67, doi:10.1080/08929882.2011.566467 (scienceandglobalsecurity.org [PDF]).
  11. a b Characterization, Treatment and Conditioning of Radioactive Graphite from Decommissioning of Nuclear Reactors. IAEA-TECDOC-1521. IAEA, 2006, ISBN 92-0-112006-0, S. 9 (iaea.org [PDF]).