Teen Court

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Ein Teen Court (deutsch Schülergericht oder Jugendlichengericht) ist ein kriminalpädagogisches Jugendprojekt, in dem ein Schülergremium erzieherische Maßnahmen gegen jugendliche Straftäter aussprechen kann. Die Idee und die Bezeichnung der Teen Courts stammt aus den USA. Eines der Hauptmotive für die Einführung von Teen Courts ist die Annahme, dass Jugendlichen das Ansehen bei Gleichaltrigen besonders wichtig sei. Durch ihre Mitwirkung im Teen Court soll dieser Effekt so genutzt werden, dass eine Einsicht bei den Beteiligten gefördert wird.

Das Teen Court wurde 2000 als Modellversuch durchgeführt unter Einführung des damaligen Oberstaatsanwaltes Erhard Becker.[1] Schließlich wurde das Kriminalpädagogische Schülerprojekt (KPS) von dem bayrischen Staatsministerium der Justiz, der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg und dem Verein Hilfe zur Selbsthilfe, sowie mit der Unterstützung des Oberstaatsanwaltes Becker, gegründet.[2]

Der Teen Court ist im Sinne des Prozessrechts kein Jugendgericht, er besitzt weder gerichtliche noch staatsanwaltliche Kompetenzen. Es finden weder Beweisaufnahme noch Beweiswürdigung statt, der Sachverhalt muss vollständig geklärt sein. Die Staatsanwaltschaft begleitet das Verfahren bis zum Abschluss. An einem Teen Court werden – je nach Bundesland – nur Fälle leichter bis maximal mittlerer Kriminalität verhandelt.

Zeigt sich ein Straftäter vor der zuständigen Staatsanwaltschaft geständig und erklärt sich bereit, vor das Schülergericht zu treten, sieht die Staatsanwaltschaft von einer Strafverfolgung ab und weist den Fall dem Schülergericht zu. Akzeptiert der Jugendliche den „Richterspruch“ des Schülergremiums, ist der Fall damit abgeschlossen. Sind erzieherische Maßnahmen eingeleitet worden, kann die Staatsanwaltschaft nach § 45 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz von einer Strafverfolgung absehen.

Teen Courts gibt es in Bayern (Aschaffenburg, Ingolstadt, Ansbach, Memmingen, Augsburg, Dillingen a. d. Donau, Landshut), Hessen (Limburg, Wiesbaden, Darmstadt), Nordrhein-Westfalen (Recklinghausen, Siegen), Sachsen (Bautzen, Leipzig, Zwickau), Sachsen-Anhalt (Halberstadt) und Baden-Württemberg (Kehl). Thüringen (Haubinda) an der Hermann-Lietz-Schule. In Hamburg wurde ein Pilotprojekt 2008 nach eineinhalb Jahren eingestellt.

Anders als in den ursprünglichen Teen Courts wird in Kehl das Konzept auch bei Strafunmündigen, also unter 14-Jährigen, angewandt, damit auch diese sich mit ihrer Tat auseinandersetzen können. Durch die Kooperation mit dem Jugendsachbearbeiter der Polizei werden diese Fälle mit der Einverständniserklärung der Eltern und den straffällig Gewordenen an das Schülergremium weitergeleitet.

Ausbildung der „Richter“

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Die Richter am Teen Court, meist zwischen 14 und 20 Jahre alt, müssen eine entsprechende Schulung besucht haben. Sie sollen jeweils älter als die Delinquenten sein.

Der Erfolg ist umstritten. Zwar wird anerkannt, dass mittels dieser Einrichtung Diversion erreicht werden kann; damit ist gemeint, dass zugunsten von Resozialisierung und Entlastung der Gerichtsbarkeit auf ein formelles Verfahren verzichtet wird. In Frage gestellt wird aber teilweise die rechtsstaatliche Legitimation. Die nach dem Jugendgerichtsgesetz für die am Jugendstrafverfahren Beteiligten geforderte besondere Befähigung in der Erziehung wird ebenfalls kaum zu belegen sein.

Die These, dass Jugendliche, die vor einem Teen Court standen, weitaus seltener rückfällig werden als vor den Strafgerichten, ist für Deutschland bisher wissenschaftlich nicht belegt. In den USA gibt es aber Langzeitstudien, die diesen Effekt bestätigen. Da Teen Courts in den USA aber andere Entscheidungsbefugnisse haben als in Deutschland, sind diese Ergebnisse nur schwer auf das deutsche Modell übertragbar.

  • Monika Traulsen, Das Schülerverfahren als kriminalpräventives Angebot der Jugendhilfe. Dargestellt am Beispiel eines Schülerprojekts in Kehl, In: Verbrechen – Strafe – Resozialisierung, Festschrift für Heinz Schöch zum 70. Geburtstag am 20. August 2010, S. 267–281, Verlag De Gruyter, Berlin/New York, 2010, ISBN 978-3-89949-606-2.
  • Robert Englmann, Kriminalpädagogische Schülerprojekte in Bayern – Rechtliche und kriminologische Probleme sowie spezialpräventive Wirksamkeit sogenannter „Schülergerichte“, ZJJ 3/2009, S. 216–226.
  • Robert Englmann, Kriminalpädagogische Schülerprojekte in Bayern. Rechtliche Probleme und spezialpräventive Wirksamkeit eines neuen Diversionsansatzes im Jugendstrafverfahren Kriminalwissenschaftliche Schriften, Bd. 25, Münster: Lit, 2009; Zugl.: München, Univ., Diss., 2009, ISBN 978-3-643-10160-0
  • Robert Englmann, „Schülergerichte“ in der deutschen Jugendstrafrechtspflege – Ein umstrittenes Diversionsmodell auf dem Prüfstand, In: Verantwortungsvolle Wissenschaft, S. 93–97, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-515-09370-5.
  • Heinz Schöch/Monika Traulsen, Legalbewährung nach Schülerverfahren. Die strafrechtliche Entwicklung von Jugendlichen, die am Kriminalpädagogischen Schülerprojekt Aschaffenburg teilgenommen haben, Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 156 Jg., Heft 1/2009, S. 19–43.
  • Thomas Stephan, „Justitia in Jugendhand? Beispiele von Schülergerichten – eine kritische Betrachtung aus sozialpädagogischer Sicht“, RabenStück Verlag für Kinder- und Jugendhilfe, Berlin 2009, ISBN 978-3-935607-33-9
  • Eva-Verena Kerwien, Schülergerichte – eine Alternative?, BAG-S Informationsdienst Straffälligenhilfe, 16. Jg., Heft 1/2008, S. 8–11.
  • Heinz Schöch/Monika Traulsen, Kriminalpädagogische Schülerprojekte in Bayern, In: Schöch et al.(Hrsg.),Recht gestalten – dem Recht dienen – Festschrift für Reinhard Böttcher zum 70. Geburtstag, S. 379–402, De Gruyter: Berlin – New York 2007, ISBN 978-3-89949-259-0
  • 27. Deutscher Jugendgerichtstag 2007, Ergebnisse des Arbeitskreises 15: Diversionstage, Teen Court & Co: Kriminalpolitik mit, ohne oder gegen das JGG? Onlinetext
  • Klaus Breymann, Schülergerichte – für wen eigentlich?, ZJJ 1/2007, S. 4–8, Onlinetext
  • Tobias Block/Jan H. Kolberg, Teen-Court – Viel Lärm um Nichts? Hintergründe eines „neuen“ jugendstrafrechtlichen Ansatzes, ZJJ 1/2007, S. 8–18, Onlinetext
  • Mirko Jahn et al., Peer-Peer-Konzepte > Kindheit und der pädagogische Umgang mit Gewalt, 26. Januar 2006, S. 31 ff, Powerpoint
  • Kai Nitschke, Schülergerichte sind auf dem Vormarsch. Länder setzen auf „Teen-Courts“, Das Parlament, Nr. 07 2006, 13. Februar 2006, S. 8, Onlinetext (Memento vom 30. April 2006 im Internet Archive)
  • Claudia Keller, Wenn Schüler über Schüler richten, Der Tagesspiegel, 21. Oktober 2005, Onlinetext
  • Von Caroline Schmidt, Richter in Turnschuhen, Der Spiegel, 17. Oktober 2005, Onlinetext
  • Verena Sabaß, Schülergremien in der Jugendstrafrechtspflege – ein neuer Diversionsansatz. Das „Kriminalpädagogische Schülerprojekt Aschaffenburg“ und die US-amerikanischen Teen Courts, Kriminalwissenschaftliche Schriften, Bd. 2, Münster: Lit, 2004; Zugl.: München, Univ., Diss., 2004, ISBN 3-8258-7877-5
  • Arnfrid Schenk, „Klauen ist uncool“, DIE ZEIT Juni 2003, Onlinetext
  • Hessisches Ministerium der Justiz, „Teen-Court“: Justizminister Dr. Christean Wagner startet Hessisches Kriminalpädagogisches Jugendprojekt (KJP), Presseinformation, 11. Oktober 2005, PDF
  • Helmut Schwan, Projekt „Teen Court“: Jugendliche richten über Jugendliche, FAZ, 11. Oktober 2005, Onlinetext
  • Miriam Bunjes, Handyverbot für den Kumpel, taz, 1. November 2005, S. 2, Onlinetext
  • Silke Becker, Schwere Jungs und kleine Richter, Der Tagesspiegel, 20. Juni 2002, Onlinetext

Einzelnachweise

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  1. Wiener Zeitung Online: Pilotprojekt Schülergericht: - Schüler "richten" über jugendliche Straftäter. Abgerufen am 3. Oktober 2022.
  2. Alexander Bruchlos: Wenn "Handy-Verbot" die Höchststrafe ist | Foto: Arno Burgi (dpa-Zentralbild). 6. Juli 2016, abgerufen am 3. Oktober 2022.